Wie Wertschöpfung bei Unternehmen entsteht
28. August 2023 (Anzeige)
Die letzten Monate waren für uns als Anleger des Alpha Star Aktienfonds alles andere als erfreulich. Nach dem deutlichen Rückgang der Kurse im Jahr 2022 hat sich eine Erholung bislang nur sehr zaghaft gezeigt.
Viel wurde bereits über die Gründe geschrieben und gesprochen. Schlussendlich lässt sich die Entwicklung auf zwei wesentliche Punkte zusammenfassen: Zum einen waren Aktien nach der jahrelangen Nullzinspolitik der Notenbanken und der starken Rally der Jahre 2019 - 2021 vergleichsweise hoch bewertet. Zum anderen folgte mit der Trendwende in der Zinspolitik im Jahr 2022 eine Kontraktion der Bewertungsmultiplikatoren.
Es gibt nicht viel, was man gegen diesen Marktmechanismus tun kann. Genauso wie Aktien zuvor von den Zinssenkungen profitiert haben, kamen sie im Jahr 2022 durch die starken Zinssteigerungen unter Druck. Auf das, was wir als Investoren nicht kontrollieren können, sollten wir nicht allzu viel Zeit verwenden. Was wir sehr wohl kontrollieren können, ist ein Portfolio an Unternehmen zusammenzustellen, die ein hohes Maß an Wertschöpfung generieren. Unternehmen, die nachhaltig ihre Gewinne steigern werden – ungeachtet vorübergehender Schwankungen am Markt. Dies wird sich auf kurz oder lang in den Aktienkursen widerspiegeln. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig zu verstehen, wie Wertschöpfung entsteht, um auf die richtigen Unternehmen zu setzen.
Der 1-Dollar-Test
Investorenlegende Waren Buffett hat in seinem jährlichen Brief an Aktionäre 1984 folgenden Abschnitt formuliert:
„Unternehmensgewinne sollten nur dann einbehalten werden, wenn eine vernünftige Aussicht besteht – vorzugsweise gestützt durch historische Beweise oder gegebenenfalls durch eine durchdachte Analyse der Zukunft –, dass für jeden Dollar, den das Unternehmen einbehält, mindestens ein Dollar Marktwert für die Aktionäre geschaffen wird. Dies geschieht nur, wenn das einbehaltene Kapital zu inkrementellen Erträgen führt, die auf oder über dem Niveau liegen, das Anleger anderswo erhalten könnten.“
Berkshire Hathaway – Brief an die Aktionäre – 1984
(frei übersetzt aus dem Englischen)
Mit dieser als „1-Dollar-Test“ bekannten Aussage sagt Buffett zwei wichtige Dinge:
- Wertschöpfung entsteht nicht nur durch Gewinne, die aus historisch getätigten Investitionen herrühren, sondern vor allem auch durch Gewinne, die ein Unternehmen aus zukünftigen Investitionen generieren wird.
- Unternehmen sollten nur dann verdientes Geld einbehalten, wenn sie in der Lage sind, das Geld so zu reinvestieren, dass es eine höhere Rendite generieren wird, als der Anleger mit dem gleichen Geld anderswo erzielen könnte. Der einzige Weg, um das zu erreichen, ist, Gewinne zu einer Verzinsung neu zu investieren, welche die Kapitalkosten übersteigt. Andernfalls sollten Gewinne besser als Dividende ausgeschüttet werden.
Warren Buffett schreibt zwar von der Schaffung von „Marktwert“, also dem Aktienkurs, meint aber den intrinsischen Wert, da man langfristig davon ausgehen kann, dass der Wert einer Aktie richtig an der Börse reflektiert wird. Kurzfristig ist der Zusammenhang zwischen Wertschöpfung und Aktienkurs keineswegs verlässlich, mittel- und langfristig schon.
Renditen der Reinvestition
Die Logik dahinter ist wie folgt: Angenommen, ein Unternehmen hat in der Vergangenheit 100 Mio. € in Maschinen und andere Produktionsanlagen investiert und erzielt damit einen Gewinn von 10 Mio. €. Die Rendite, die das Unternehmen auf das investierte Kapital erwirtschaftet, beträgt damit 10% (Return on Invested Capital / ROIC). Wenn der Gewinn zu gleicher Verzinsung reinvestiert werden kann, also z.B. in eine weitere Maschine, wird der Gewinn im Folgejahr auf 11 Mio. € anwachsen, also um ebenfalls 10 % (10 Mio. € reinvestierter Gewinn * 10 % Rendite auf die Reinvestition = +1 Mio. €). Bei der Rendite auf die Reinvestition von Gewinnen sprechen wir von der Rendite auf neu investiertes Kapital (Return on Incremental Invested Capital / ROIIC).
Aus diesem Beispiel wird deutlich, dass Reinvestitionen zu mindestens der gleichen Rendite investiert werden sollten, wie das bisherig investierte Kapital bereits erzielt. Andernfalls wird sich die gesamte Kapitalverzinsung über Zeit verwässern und sich die Wertschöpfung des Unternehmens früher oder später auf einem niedrigeren Niveau wiederfinden.
Rechnen wir dieses Beispiel einmal durch: Wir nehmen das gleiche Unternehmen wie oben, nur dass die Reinvestition des Gewinns von 10 Mio. € nicht in ein Projekt erfolgt, dass eine Verzinsung von 10% bringt, sondern nur 5 %. Der Gewinn steigt jetzt nicht wie im ersten Beispiel von 10 Mio. € auf 11 Mio. €, sondern nur auf 10,5 Mio. € (10 Mio. € reinvestierter Gewinn * 5 % ROIIC = +0,5 Mio. €). Entsprechend würde auch der Aktienkurs nicht wie im ersten Beispiel um 10 % steigen, sondern nur um 5 %. Ein gewaltiger Unterschied, vor allem wenn die unterschiedliche Entwicklung über Jahre andauert.
Sie merken schon, dass es der Idealfall ist, in ein Unternehmen zu investieren, dass inkrementelle Investitionen sogar in Projekte tätigen kann, welche über den historischen Renditeniveaus liegen. Sollte unser Beispielunternehmen den 10 Mio. € erzielten Gewinn zu 20 % Verzinsung reinvestieren können, etwa in die Entwicklung eines neues Blockbuster-Produkts, wächst der Gewinn sogar auf 12 Mio. € an. Der Aktienkurs würde entsprechend doppelt so stark steigen wie im Ausgangsbeispiel.
Evaluierung von Reinvestitionen
Um die Wertschöpfungskraft eines Unternehmens einschätzen zu können und damit das Renditepotenzial einer Aktie, ist es also entscheidend, wie rentabel einmal erwirtschaftete Gewinne wieder reinvestiert werden können. In der Evaluierung der Verzinsung von Reinvestitionen liegt damit der Kern der Analysearbeit in der Unternehmensbewertung.
Diese Aufgabe ist nicht trivial, da die Zahl nicht ohne weiteres aus Geschäftsberichten oder sonstigen Unterlagen abzulesen ist. Auch die Art und Weise der Reinvestitionen ist von Unternehmen zu Unternehmen vollkommen unterschiedlich. Während ein Unternehmen in Forschung & Entwicklung investiert, um neue Produkte herauszubringen, bevorzugt ein anderes Unternehmen den Kauf eines Wettbewerbers. Wieder ein anderes Unternehmen investiert in Kapazitätserweiterungen für die Expansion mit bestehenden Produkten oder kauft eigene Aktien zurück, weil es überzeugt ist, dass die eigene Aktie zu günstig bewertet ist.
Es müssen viele Daten gesammelt und ausgewertet werden, um die richtigen Schlüsse ziehen zu können und zu einer belastbaren Einschätzung zu gelangen. Managementgespräche sind in diesem Zusammenhang ein wichtiges Element. Schließlich ist es die Aufgabe des Managements, zu entscheiden, wie die Gewinne des Unternehmens verwendet werden. Dennoch bleibt es die Aufgabe des Analysten oder Investors, einzuschätzen, ob die geplanten Investitionen sinnvoll und ausreichend profitabel sind.
In diesem Zusammenhang spielen auch Wettbewerbsvorteile und Alleinstellungsmerkmale eine wichtige Rolle. Denn üblicherweise locken attraktive Gewinne Wettbewerber an. Diese investieren dann ebenfalls in den jeweiligen Bereich und drücken dadurch die erzielbaren Renditen nach unten. Jede weitere Reinvestition wird also weniger rentabel. Besteht jedoch ein Alleinstellungsmerkmal oder ein Wettbewerbsvorteil, verhindert dies, dass Wettbewerber überhaupt den Eintritt vollziehen können. Damit bleiben auch die Renditen der Reinvestitionen nachhaltig auf einem hohen Niveau. Der sorgfältigen Analyse von Wettbewerbsvorteilen kommt damit eine wichtige Bedeutung zu.
Fazit
Aktienmärkte steigen und fallen aus den unterschiedlichsten Gründen. Ob Zinsen, politische Ereignisse oder Konjunktursorgen, es gibt viele Faktoren, die kurzfristig die Kurse nach oben oder unten beeinflussen. Mittel- und langfristig folgen Aktienkurse der Gewinnentwicklung der Unternehmen. Diese wiederum ist abhängig von der rentablen Verwendung der erwirtschafteten Gewinne. So wird das Schwungrad des Gewinnwachstums aufrechterhalten und damit der intrinsische Wert eines Unternehmens weiter gesteigert. Das wiederum manifestiert sich über die Zeit in entsprechenden Steigerungen der Aktienkurse.
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