Antworten auf die jüngsten Bedenken der Anleger gegenüber China
16. Oktober 2023 (Anzeige)
Angesichts des jüngsten Anlegerinteresses am chinesischen Aktienmarkt und der problematischen Performance im laufenden Jahr haben wir mit Martin Lau, dem Managing Partner und leitenden Portfoliomanager für die Strategien FSSA Asian Equity Plus und FSSA China Growth, unterhalten.
Martin Lau |
Glauben Sie, dass der Ausfall von Country Garden Auswirkungen auf andere Branchen haben und zu Systemrisiken führen wird? Wo sehen Sie die Risiken und Chancen, die sich aus diesem Vorfall ergeben?
Unserer Ansicht nach ist der Markt nicht so sehr auf diesen speziellen Fall mit Country Garden fokussiert, sondern eher auf die wachsende Zahl von Zahlungsausfällen im Immobiliensektor, wie wir sie in den letzten zwei Jahren bei Evergrande, Sunac und Shimao beobachten konnten. Immobilien sind ein wichtiger Motor für die chinesische Wirtschaft, daher gehen wir davon aus, dass die anhaltende Schwäche negative Auswirkungen haben wird. Dies wirkt sich auch auf andere Bereiche wie Banken, Baugewerbe, Haushaltsgeräte und Baumaterialien und auch auf den individuellen Wohlstand und die Verbrauchernachfrage aus. Allerdings glauben wir nicht, dass es zu einem systemischen Risiko kommen wird, wie bei Lehman Brothers im Jahr 2008, das einen Dominoeffekt auslöste.
Hierfür gibt es einige Gründe. In China sind fast alle Banken im Besitz der Regierung. Wenn sie sich dafür entscheiden, ihre Schulden auf ein Unternehmen zu übertragen, kann dies die Pleite des Unternehmens verhindern. Außer, die Regierung möchte, dass etwas scheitert. Als Lehman Brothers bankrott ging, fragte sich der Markt, wer als nächstes dran ist. Wie bei einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung bekamen die Banken daraufhin Angst, Kredite zu vergeben, was zu einer globalen Finanzkrise führte. Dies dürfte unserer Meinung nach in China aufgrund des hohen Grades an staatlicher Kontrolle und Eigentum nicht der Fall sein.
Darüber hinaus hat China nur sehr wenig Auslandsschulden. Die asiatische Finanzkrise von 1997 begann in Thailand und griff aufgrund der hohen Auslandsverschuldung des Landes auf mehrere andere Länder über. Der Großteil der Schulden in China ist in Renminbi, sodass ein globaler Flächenbrand weniger wahrscheinlich ist. Mehr als die Hälfte der privaten Immobiliengesellschaften mit hohen US-Dollar-Schulden sind bereits ausgefallen.
Wir sind grundsätzlich der Meinung, dass die chinesische Regierung dies so beabsichtigt hat, weil Ausfälle zuvor so selten waren. Das hat zu einer gewissen Fahrlässigkeit und übermäßigen Kreditaufnahme geführt. Die Regierung konzentriert sich jetzt auf qualitatives Wachstum und lässt das alte Modell hinter sich, das sich stark auf Immobilien und Schulden stützte. Wir gehen davon aus, dass es einige Zeit dauern wird, sich anzupassen und zurechtzufinden.
Unsere Vorliebe für Qualität und Konservativität hat bisher den Kapitalerhalt unterstützt. Wir haben nie in Unternehmen wie Country Garden, Evergrande und Shimao investiert, weil wir sie für zu aggressiv hielten. Die wenigen Immobilientitel, die wir halten, darunter vor allem China Resources Land (CR Land) und China Overseas Grand Oceans, haben sich relativ gut gehalten. Die Konsolidierung wird sich wahrscheinlich fortsetzen und diese Unternehmen dürften davon profitieren. Country Garden und Evergrande waren viel größer als CR Land. Wenn ihnen also die Finanzierung fehlt und sie sich aus dem Markt zurückziehen, sollte dies CR Land mehr Gelegenheiten geben, Land und Projekte zu niedrigeren Preisen zu kaufen.
Die Inlandsnachfrage gilt als eine der wichtigsten Triebfedern für das Wirtschaftswachstum in China. Es ist jedoch zu beobachten, dass die Arbeitslosigkeit hoch bleibt und das Verbrauchervertrauen pessimistischer wird. Haben Sie Ihre Top-Positionen in den Verbrauchersektoren ausgetauscht? Sehen Sie neue Chancen, die sich aus dem demografischen Wandel ergeben?
Die Unternehmen berichten uns, dass sich das Wachstum auf breiter Front verlangsamt hat, und das gilt auch für die Verbrauchernachfrage. Wir sind jedoch der Ansicht, dass der längerfristige Trend zur verbesserten Konsumqualität nach wie vor intakt ist, und dies bleibt ein wichtiger struktureller Faktor in unseren Portfolios. Unsere Top-Portfoliotitel wie China Mengniu Dairy, Anta Sports, China Resources Beer (CRB) und Midea haben sich nicht verändert und wir sind weiterhin von ihnen überzeugt. Diese Unternehmen weisen die Qualitätsmerkmale auf, an denen wir interessiert sind, wie z. B. eine starke Finanzlage, stetiges Wachstum im Vergleich zu vergleichbaren Unternehmen, Cashflow-Generierung und Premiumisierung.
Da die meisten Anleger eine negative Einstellung gegenüber China haben, ist es vielleicht an der Zeit, mehr zu kaufen, und das haben wir bei unseren Top-Positionen getan. Wir glauben, dass die Aktienkurse auf lange Sicht dem Gewinnwachstum folgen. Das Unternehmen Anta gab einen starken Anstieg des Gewinns im ersten Halbjahr bekannt, eine Steigerung von mehr als 30 % im Vergleich zum Vorjahr, und der Aktienkurs ging daraufhin sprunghaft in die Höhe. Das Unternehmen weist eine gute Erfolgsbilanz auf, was den Aufbau erfolgreicher Marken und den Zugewinn von Marktanteilen betrifft. CRB hat in der ersten Hälfte dieses Jahres sowohl beim Volumen als auch bei den Verkaufspreisen ein Wachstum von 4 bis 5 % erzielt. Das Wachstum bei den Premium-Produkten fiel mit einem Anstieg des Volumens von Heineken-Bier um fast 60 % höher aus.
Dies sind nur einige Beispiele dafür, wie man von der Konsolidierung des Sektors und der Premiumisierung profitieren kann. Wir hoffen, dass die Unternehmen, in die wir investieren, ihre Gewinne langfristig weiter steigern werden.
Im dritten Quartal gingen die neuen Kredite zurück und das Kreditwachstum schwächte sich ab. Glauben Sie, dass sich dies auf das Wachstum und die Gewinnaussichten der chinesischen Unternehmen auswirken wird? Wird sich dies auf Chinas F&E-Ausgaben und seine Fortschritte beim Aufstieg in der Wertschöpfungskette auswirken?
Wir sind der Meinung, dass das schwache Kreditwachstum eher ein Begleitindikator ist, der eine schwache Wirtschaft widerspiegelt, und kein treibender oder Frühindikator. Wenn das Vertrauen schwach ist, kaufen die Menschen keine Häuser, sondern zahlen ihre bestehenden Hypotheken ab, und die Banken zögern, Kredite zu vergeben, da große Bauunternehmen in Verzug geraten. Während der letzten fünf Jahre waren für jede BIP-Wachstumseinheit immer mehr Kredite erforderlich. Dies dürfte die Regierung beunruhigt haben, denn es zeigte die Grenzen von Krediten zum Ankurbeln der Wirtschaft auf.
Heute sind die Anleger besorgt, weil sie auch die Grenzen dessen sehen, was die chinesische Regierung tun kann oder zu tun bereit ist. Die Wirtschaft hat sich stark verschuldet und viele Unternehmen haben Probleme. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass China die Verschuldung im Laufe der Zeit langsam abbauen wird, um das Kreditwachstum schwach zu halten. Auch dürfte das kurzfristige Gewinnwachstum der Unternehmen darunter leiden.
Die Unternehmen werden wahrscheinlich ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) kürzen, wenn die Umsätze zurückgehen. Wir bevorzugen jedoch Unternehmen, die mehr in Forschung und Entwicklung investieren, wie z. B. Shenzhen Mindray, dem es gelungen ist, neue Geschäftsbereiche, wie die für Endoskope und Anästhesiegeräte, aufzubauen. Oft geht es eher um die schrittweise Verbesserung bestehender Produkte oder Prozesse als um den Besitz der modernsten Technologien. So haben wir zum Beispiel einige Unternehmen im Portfolio, die im Bereich der industriellen Modernisierung tätig sind, wie Shenzhen Inovance. Früher gab das Unternehmen über 12 % des Umsatzes für Forschung und Entwicklung aus, heute sind es eher 9 bis 10 %, was immer noch hoch ist. Es ist in der Wertschöpfungskette schrittweise aufgestiegen. Das Gleiche gilt für Shanghai Hanbell, das Vakuumpumpen herstellt. Das Unternehmen begann mit Klimaanlagen, dann konzentrierte es sich auf Solaranlagen und jetzt sind es Halbleiter.
Wir bevorzugen auch Unternehmen, die nach Übersee expandieren können, wie Mindray, Haitian International und Midea, denn das ist ein weiteres Zeichen für einen Aufstieg in der Wertschöpfungskette. Wir glauben, dass ein gutes Unternehmen in Zeiten einer schwachen Binnenkonjunktur auf anderen Märkten Wachstum finden kann. Wir haben dies in Japan bei Unternehmen wie Fast Retailing (Uniqlo), Toyota, Sony und Nintendo gesehen.
Zwischen den Erfahrungen Japans und Chinas gibt es einige Parallelen wie die alternde Bevölkerung und die sich verlangsamende Wirtschaft. Ein Unterschied besteht jedoch darin, dass es heute viel schwieriger ist, global tätig zu werden als noch vor 30 Jahren. Die geopolitischen Gegenwinde sind heute stärker, wie z. B. die Tatsache, dass die USA die globale Expansion von Huawei gestoppt haben. Aber China gehen die Arbeitskräfte aus, sodass es ungeachtet der Geopolitik die Produktion in andere Länder verlagern muss.
Im bisherigen Jahresverlauf für 2023 verzeichneten die Strategien China Growth und Asian Equity Plus größere Drawdowns als der Markt. Können Sie uns sagen, warum Sie glauben, dass das Portfolio in diesem Jahr weniger widerstandsfähig ist? Welche Maßnahmen haben wir ergriffen, um die Risiken zu mindern? Gibt es neue Chancen, die Sie begeistern?
Wir bei FSSA sind seit jeher langfristige, benchmarkagnostische Investoren mit einem Absolute-Return-Fokus. Außerdem muss angemerkt werden, dass der Zeitrahmen seit Jahresbeginn zu kurz ist, um angesichts unseres langfristigen Horizonts Schlussfolgerungen zu ziehen. Wir sind der Meinung, dass Unternehmen und ihre Wertentwicklung über einen Zeitraum von mindestens 3 bis 5 Jahren, wenn nicht länger, bewertet werden sollten.
Allerdings sind ein wichtiger Grund für unsere Abweichung im Vergleich zum Index seit Jahresbeginn die Titel, die wir nicht besitzen. Der Ausverkauf am Markt wurde größtenteils von ausländischen Anlegern vorangetrieben, sodass die Aktien, die von einer breiteren Masse von Anlegern gehalten werden, stärker gefallen sind, während die von den USA sanktionierten Aktien wie China Mobile und CNOOC besser abgeschnitten haben. Wir besitzen diese jedoch nicht. Darüber hinaus hat der Markt in diesem Jahr aufgrund des Reformoptimismus billige (niedriges Kurs-Buchwert-Verhältnis) Staatsunternehmen (SOEs) bevorzugt.
Die Aktien in unserem Portfolio sind von höherer Qualität, aber nicht so billig. So ist beispielsweise die China Merchants Bank seit Jahresbeginn stärker gefallen als die weniger hochwertigen staatlichen Banken wie die Agricultural Bank und die Bank of China. Was die Performance unserer regionalen Strategie angeht, so war das Hauptthema in diesem Jahr die künstliche Intelligenz (KI). Im Vergleich zu einigen unserer Konkurrenten halten wir nicht viele Unternehmen aus dem Bereich Software oder KI.
Wir glauben, dass die Stimmung der Anleger sehr gedrückt ist. Viele Unternehmen haben in letzter Zeit ihre Ergebnisse veröffentlicht, und die Aktienkurse fallen danach oft, selbst wenn die Ergebnisse relativ gut ausfallen. Das andere Risiko ist die Unsicherheit in Bezug auf die staatliche Unterstützung. Korruptionsbekämpfungsmaßnahmen, wie wir sie in der Gesundheitsbranche erleben, wirken sich in der Regel negativ auf das kurzfristige Wirtschaftswachstum aus, auch wenn sie längerfristig positiv sein können.
Wir bemühen uns, das Risiko zu minimieren, indem wir Qualitätsunternehmen mit starken Finanzkennzahlen und Wettbewerbsvorteilen auswählen und sie langfristig halten. Wenn die Wertentwicklung unter Druck steht, liegt der Schlüssel unserer Meinung nach nicht darin, das gesamte Portfolio umzubauen, sondern unserer Überzeugung zu folgen. Wir glauben, dass die Stimmung zyklisch ist, aber die Gewinne sind ein struktureller Treiber für die Aktienkurse. Angesichts des jüngsten Pessimismus haben wir unsere Top-Positionen auf breiter Front aufgestockt.
Quelle: Unternehmensdaten aus den Jahresberichten der Unternehmen oder anderen entsprechenden Investorenberichten. Finanzkennzahlen und Bewertungen stammen von FactSet und Bloomberg. Stand 23. August 2023, sofern nichts anderes angegeben ist.
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