Sprachlos – aber handlungsfähig
8. April 2022 (Anzeige)
Sicher geht es Ihnen auch so wie uns: Die Entwicklung der letzten Tage erscheint wie ein schlimmer Albtraum. Ein großer Krieg in Europa! Willkürlich aus reinen Machtüberlegungen von einer einzelnen Person und ihrem Führungskreis vom Zaun gebrochen.
Das weckt gerade bei uns Deutschen schlimme kollektive Erinnerungen. Ein solcher Konflikt bringt für Millionen Menschen Tod, Verstümmelung, Hunger oder Vertreibung. Am Ende hat noch kein Krieg einen echten Gewinner gesehen. Zudem besteht immer die Gefahr einer über den ursprünglichen Kriegsschauplatz hinausgehenden Eskalation, was im schlimmsten Fall verheerende Auswirkungen haben könnte. Eine solche Situation haben wir alle vor ein paar Wochen noch als äußerst unwahrscheinlich erachtet.
Wir wähnten uns vielmehr als glückliche Generation, die davon profitierte, dass wir zumindest in Europa aus den Schrecken zweier Weltkriege unsere Lehren gezogen hätten. Der Krieg in der Ukraine hat uns mit einem Schlag dieser Illusion beraubt und unserem durch Corona bereits eingeschränkten unbeschwerten Leben vorerst ein Ende bereitet. Das Ganze macht uns nahezu sprachlos!
Wie es Bundeskanzler Scholz so treffend in seiner historischen Bundestagsrede gesagt hat: Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat eine Zeitenwende eingeleitet. Schlagartig ist uns bewusst geworden, dass Freiheit, Demokratie und Frieden in Europa nichts Selbstverständliches sind, sondern ihren Preis haben. Selten sind in so kurzer Zeit so viele politische Doktrinen über den Haufen geworfen worden, selten so viele jahrzehntelang aufgebaute Geschäftsbeziehungen gekappt worden. Damit dürfte jetzt schon klar sein, das Putin mit seinem Vorgehen genau das Gegenteil von dem erreicht hat, was er ursprünglich angestrebt hat. Er hat Russland nicht gestärkt, sondern entscheidend geschwächt, sicher politisch, viel wichtiger aber noch auf der wirtschaftlichen Seite. Gerade die zahlreichen Reaktionen der privaten Wirtschaft dürften Putins Russland im internationalen Wettbewerb in den kommenden Jahren dramatisch zurückwerfen.
Darüber hinaus stellen sich natürlich die Fragen:
Was bedeutet die „Zeitenwende“ für die westliche Welt, Europa und Deutschland?
Welche wirtschaftlichen Veränderungen ergeben sich hieraus und was bedeutet dies für uns Anleger?
Unter der Annahme, dass der Ukrainekonflikt hoffentlich regional beschränkt bleibt, zieht der Krieg als wesentliche Veränderung eine dramatische Verteuerung von Energie und Rohstoffen nach sich. Dies können wir aktuell schon täglich an den Preisschildern der Tankstellen ablesen. Damit nimmt die schon durch die coronabedingten Lieferprobleme beschleunigte Inflation weiter an Fahrt auf, mit all ihren wirtschaftlichen und sozialen Folgen. Die steigenden Kosten – insbesondere in energieintensiven Industrien – könnten dabei die Investitionslust vieler Firmen dämpfen. Auch die Konsumnachfrage dürfte unter den steigenden Energiekosten leiden. Deutlich höhere Kosten für Heizen und Mobilität verringern das verfügbare Haushaltseinkommen. Dies könnte die Konjunktur im weiteren Jahresverlauf deutlich ausbremsen.
Aus Börsensicht wird dabei entscheidend sein, wie die großen Zentralbanken auf die veränderten Rahmenbedingungen reagieren. Vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine war das Szenario relativ klar: Die amerikanische FED und auch abgeschwächt die EZB würden die Zinsen spürbar erhöhen. Dies könnte sich nun etwas anders darstellen. Zumindest dürften die Zinsen eher moderater steigen. Eine sich spürbar abschwächende Wirtschaft könnte den inflatorischen Druck wieder abmildern, zumal die russischen Energieimporte zunehmend aus anderen Quellen substituiert werden könnten. Insbesondere mit Blick auf die möglicherweise deutlich schwächere Konjunktur, die im Extremfall in eine Rezession drehen könnte, dürften sich die Zentralbanken wohl mehr Zurückhaltung auferlegen.
Gerade für die EZB wird ein weiterer Aspekt eine große Rolle spielen: die Folgen des Krieges – explodierende Sozialausgaben, dramatisch höhere Rüstungsinvestitionen, Stützungsmaßnahmen für vom Osteuropageschäft abhängige Unternehmen – werden die öffentlichen Haushalte erheblich belasten. Der Refinanzierungsbedarf der Staaten wird dadurch dramatisch ansteigen. Deutlich höhere Zinsen könnten dabei zu neuerlichen Verwerfungen im Euroraum führen, was die EZB mit allen Mitteln vermeiden will. Für uns Anleger könnte dies bedeuten, dass sich bei einem hoffentlich nicht allzu fernen Ende der Kampfhandlungen die zum Jahresanfang aufgrund von Zinsängsten stärker unter Druck geratenen Wachstumstitel wieder spürbar erholen – ein für unseren Investmentansatz positives Szenario.
Im Gegensatz zu den energieintensiven Sektoren gibt es auch Wirtschaftsbereiche, die von der aktuellen Krise profitieren. Neben dem Rüstungssektor sind dies die im Bereich der alternativen Energien tätigen Unternehmen. Hier hat Wladimir Putin ein „klassisches Eigentor“ geschossen. Durch den Krieg schädigt er mittelfristig seinen wichtigsten Wirtschaftssektor und Devisenbringer. Die Abhängigkeit Europas von Energielieferungen aus Russland wird nun als wesentlich größeres Risiko gesehen. Die europäischen Staaten werden versuchen, diese Abhängigkeit so schnell wie möglich zu verringern. Der Ausbau der alternativen Energien und deren Speicherfähigkeit dürften dabei im Mittelpunkt stehen. Für uns als Investoren in die Gewinner des Wandels rücken damit Hersteller von Solar- und Windenergie wie auch Wasserstofftechnik und natürlich auch Betreiber von Wind- und Solarparks verstärkt in den Mittelpunkt unseres Interesses. Gemäß unserem Ansatz, primär in die Schippen und nicht in die Minen zu investieren, profitieren aber auch die Hersteller von Powerhalbleitern oder Software für den effizienten Energieeinsatz von der absehbaren beschleunigten Energiewende.
Man könnte sich jetzt mit Blick auf die vielen durch den Ukraine-Krieg aufgetauchten neuen Herausforderungen auch die Frage stellen, ob die bisherigen Megatrends „Digitalisierung“ und „Bekämpfung des Klimawandels“ an Schwung verlieren. Wir glauben dies nicht! Bei Letzterem ergibt sich ja eine Zielkonvergenz mit der Verringerung der Abhängigkeit von russischen Energielieferungen. Aber auch die Digitalisierung sollte durch die jüngsten Erfahrungen eher an Fahrt gewinnen. Die durch Corona ausgelösten Lieferkettenprobleme haben vielen Unternehmen bereits die Gefahren einer zu großen Abhängigkeit von Lieferanten aus weit entfernten, risikobehafteten Regionen vor Augen geführt. Die kriegerischen Handlungen in der Ukraine tun ihr Übriges dazu, wie man an den Produktionsstopps in der Automobilindustrie sehen kann. Die immer häufiger zu beobachtenden Bestrebungen Produktionen nach Westeuropa oder in die USA zurückzuholen, werden damit weiter an Dynamik gewinnen.
Dies ist allerdings mit Blick auf die Kosten und verfügbaren Arbeitskräfte nur mit einem hohen Automationsgrad und damit dem Einsatz digitaler Technologien wie künstliche Intelligenz, Internet der Dinge, Big Data Datenbanken und Robotik möglich. Mit anderen Worten: Die Umsetzung von Industrie 4.0-Strategien wird sich beschleunigen. Auch die Bestrebungen der USA und Westeuropas, die eigene Halbleiterfertigung deutlich auszubauen, dürfte durch die jüngsten Ereignisse eher an Fahrt gewinnen. Die Abhängigkeit der westlichen Welt von Halbleiterlieferungen aus Asien, insbesondere Taiwan, dürfte mit Blick auf das zunehmend aggressive Verhalten des chinesischen Staates gegenüber seiner vermeintlich „abtrünnigen Provinz“ nun noch kritischer gesehen werden. Die bereits angelaufenen Investitionen in neue Halbleiterwerke außerhalb Asiens sollten daher vorangetrieben werden. Vor diesem Hintergrund fühlen wir uns bei APUS mit unseren Investments im digitalen Bereich, insbesondere bei Halbleiterausrüstern weiter gut aufgestellt. Mit anderen Worten: An der strategischen Ausrichtung unserer Fonds müssen wir unseres Erachtens nach nichts Grundlegendes ändern.
Insgesamt haben wir seit Kriegsbeginn neben einer moderaten Absicherung hier und dort Gewinne mitgenommen, aber auch erste sich ergebende Chancen genutzt, um vorsichtige Neuinvestitionen zu tätigen. Angesichts der immer noch schwierig einzuschätzenden weiteren Entwicklung haben wir aber unsere hohe Kassenposition weitgehend unverändert gelassen. Laut André Kostolany sollte man zwar kaufen, wenn die Kanonen donnern. Das macht aber unseres Erachtens im aktuellen Fall erst Sinn, wenn sich die Kampfhandlungen absehbar einem Ende nähern, zumal sich dann auch der Mittelabfluss amerikanischer Investoren aus europäischen Aktien wieder umkehren könnte.
Sie sehen uns zwar angesichts der unsäglichen Entwicklung in der Ukraine im gewissen Sinne sprachlos, aber im Bezug auf unsere Investments handlungsfähig. So makaber es klingt, auch diese schlimme Krise könnte am Ende für zahlreiche Unternehmen positiv sein. Wenn uns auch die Meldungen und Bilder aus dem Krisengebiet erheblich belasten, arbeiten wir daran, unsere Portfolios für die Zeit danach noch besser aufzustellen. So schmerzlich die aktuell roten Zahlen an den Aktienmärkten im Moment auch sein mögen, hier wird voraussichtlich gerade die Basis für den kommenden Aufschwung gelegt.
Unabhängig von unserer Sicht auf die Aktienmärkte wünschen wir für die Menschen in der Ukraine, Russland und natürlich auch im Rest Europas, dass der Wahnsinn des Krieges bald ein Ende finden wird. Hoffen wir, wenn es manchmal auch schwerfällt, dass am Ende die Vernunft „siegen“ wird. Die Menschheit steht in den nächsten Jahrzehnten vor so vielen Herausforderungen, da braucht es keine Konflikte, sondern gemeinsames Vorgehen! In diesem Sinne geben wir die Hoffnung nicht auf, dass wir unser altes unbeschwertes Leben wieder zurückbekommen. Zumindest das schöne Frühlingswetter hilft uns, die aktuell dunklen Tage besser zu ertragen und unterstützt auch unseren Optimismus, dass dies bald der Fall sein wird.
Mit besten Grüßen von den Mauerseglern aus Frankfurt!
Dr. Wolfram Eichner, Jürgen Kaup, Stefan Meyer, Johannes Ries, Harald Schmidt, Dr. Roland Seibt und Heinz-Gerd Vinken
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