Mein Verein und ich

14. September 2020

Andreas Krebs, Managing Director von Mandarine Gestion, stellt sich unseren Fragen zu seinem Verein, der Frankfurter Eintracht.

Tino Seebach: Lieber Herr Krebs, Sie wissen, dass ich Sie persönlich sehr schätze, aber als bekennender Kaiserslautern-Fan fällt es mir natürlich nicht leicht, ein wohlwollendes Interview mit Ihnen zu führen. Nun gut, ich möchte unsere sehr gute Geschäftsbeziehung nicht zu sehr strapazieren. Die Frage sei aber trotzdem erlaubt: Wie kann man denn bei der Eintracht landen? Was ist denn da genau passiert?

Andreas Krebs: Obwohl in Frankfurt geboren und im benachbarten Vordertaunus aufgewachsen, hatte ich als Kind eigentlich keine richtige Nähe zur Eintracht, damals folgte ich Borussia Dortmund. Zu Beginn der Studienzeit und in den ersten Berufsjahren war ich eher interessierter Beobachter des Fußballs im Allgemeinen als emotional berührter Fan. Zum Fußball habe ich dann wieder über die Heim-WM 2006 zurückgefunden, wir lebten damals im Ausland. 2008 sind wir nach Frankfurt zurückgekommen und auch direkt in die Stadt gezogen, und da begann dann mein Weg zur Eintracht.

Tino Seebach: Haben Sie eigentlich als Kind selbst gespielt? Welche Position?

Andreas Krebs: Ich habe als Kind von der F bis zur B-Jugend gespielt, ich war Vorstopper, das gab es ja damals noch. Wir habe damals noch mit einem Libero gespielt. Insofern war das die Position im rustikalen Stil der Förster-Brüder, die für mich vorgesehen war.

Tino Seebach: Das wäre auch die nächste Frage gewesen. Wer war Ihr erstes Idol? Wollten Sie Karlheinz oder Bernd Förster sein oder wie war das früher auf der Straße?

Andreas Krebs: In der Tat war Karlheinz Förster eine Person, die positionsbedingt für mich ein Idol gewesen ist und zu der Zeit meines sozusagen  zweigeteiltem Fußball- und Fanleben eine besondere Rolle eingenommen hat. Natürlich war Karlheinz Körbel eine Figur, der man in und um Frankfurt damals (wie heute) nicht aus dem Weg gehen konnte, gerade weil er von allen als besonders aufrechter und anständiger Fußballprofi wahrgenommen wurde. Aber er war kein Idol, dem ich als Kind auf dem Platz nacheifern wollte.

Tino Seebach: Man muss ja der launischen Diva lassen, dass sie für Drama sorgen kann, wie etwa bei dem berühmten 6:3 gegen Reutlingen, dem 5:1 gegen Lautern, aber auch den in letzter Sekunde verspielten Meisterschaften. Welches waren die beiden persönlichen Highlights in Ihrer Eintracht-Karriere, also positiv wie negativ?

Andreas Krebs: Zwei besondere Momente gab es wirklich, der eine war das DFB-Pokal Achtelfinale im Dezember 2010, als die Eintracht im Tivoli gegen Alemannia Aachen spielte. Das war, ich nenne sie mal, die „Skibbe-Saison“ und die Hinrunde verlief exzellent, die Eintracht fuhr als klarer Favorit nach Aachen. Alle im Stadion werden dieses  Spiel im Schneetreiben und im Schneenebel in Erinnerung behalten, und trotz des Platzverweises von Pirmin Schwegler war die Eintracht eigentlich drückend überlegen. Sie verlor dann doch im Elfmeterschießen 5:3, um damit nach allgemeiner und auch meiner Wahrnehmung in die Rückrunde der Schande einzubiegen, die mit der Verpflichtung von Christoph Daum als Trainer noch einen dramatischem Höhepunkt fand und natürlich völlig zu Recht in der 2. Liga endete.

Ein sehr positiver Moment war für mich auch das Pokalfinale 2017, gar nicht mal so sehr der Pokalsieg 2018. 2017 gegen Dortmund herrschte damals in Berlin eine ganz besondere Stimmung, die natürlich, wie so oft bei der Eintracht, von den Fans getragen wurde. Da gab es für meine Begriffe eine Phase von Mitte bis Ende der ersten Halbzeit, in der gerade durch unsere Fans Borussia Dortmund trotz Führung auf einmal eingeschüchtert war. Wo es möglich schien, dass die Eintracht ausgleicht, und das Spiel dann in eine andere Richtung geht. Im Stadion hat man das bestimmt noch mehr gespürt als vor dem Fernseher. Hätte, hätte, Fahrradkette, wie es so schön heißt. Es kam dann nicht so, aber man hat dieses besondere Ereignis mitgenommen, und ich glaube, dass es über Frankfurt hinaus eine besondere Wahrnehmung der Frankfurter Fans gegeben hat, die nicht wenig zu den dann folgenden Erfolgen mit dem Pokalsieg 2018, aber auch der besonderen Euro-League-Kampagne 2018/2019 beigetragen haben.

Tino Seebach: Damit sind wir beim nächsten Punkt angekommen. Die Eintracht hat eine sehr starke Ultra-Fankultur. Korrigieren Sie mich, aber ich schätze Sie eher als Sitzplatz-Fan auf der Haupttribüne oder Gegengerade ein, der sicherlich genauso viel Herzblut gibt wie die Ultras in der Kurve. Wie stehen Sie persönlich den Ultras in Frankfurt gegenüber?

Andreas Krebs: Ich sage mal so: Die Ultras und die Fanszene der Eintracht machen einen großen Reiz der Eintracht aus. Wenn man das Positive nimmt, haben die Treuesten der Treuen gerade mit ihren Reisen durch Europa und auch den Heimspielen in Frankfurt die bereits erwähnte besondere Wahrnehmung von Frankfurt auf vielen Ebenen geschaffen. Das erkenne dankend ich an. Umgekehrt ist es natürlich ein schmaler Grat, inwieweit sich die organisierte Fan-Szene an anderen Stellen etwas Besonderes herausnimmt, da gibt es dann manchmal Grenzübertretungen. Noch habe ich nicht das Gefühl, dass es überhandnimmt, aber es ist sicherlich etwas, wo man ab irgendeinem Punkt Grenzen aufzeigen müsste, wenn Sie denn dauerhaft überschritten werden.

Tino Seebach: Was müsste passieren, damit ein Traditionsverein wie die Eintracht ernsthaft und dauerhaft um die Meisterschaft spielen könnte? Alle 30 Jahre einen Titel zu holen, kann doch nicht der Anspruch der Finanzhauptstadt Deutschlands sein.

Andreas Krebs: Naja, wir hatten hier einen langjährigen Vorstandsvorsitzenden in Heribert Bruchhagen, der sich immer mit der Aussage zitieren ließ, die Eintracht könne aufgrund ihrer finanziellen Möglichkeiten nur auf Platz 13-16 landen. Da muss man sagen, dass sich die Eintracht mit einer mutigen und seriösen Geschäftsführung und auch mit etwas sportlicher Fortune sowohl bei den Transfers als auch in den Ergebnissen der Bundesliga, DFB und Euro League in eine andere Richtung vorgearbeitet hat. Das kurz- und mittelfristige Ziel müssen nachhaltige Platzierungen zwischen Platz 6-12 sein, mit dem Anspruch, ab und zu an einem europäischen Wettbewerb teilzunehmen. Wenn man von dieser Warte die Dinge etwas weiter ausbaut und diese Beständigkeit da ist, und dafür gibt es in Frankfurt viele Anzeichen, dann halte ich es auch für durchaus möglich, dass in einem nächsten Schritt eine Champions-League-Teilnahme möglich ist. Von einer deutschen Meisterschaft, wo sozusagen die Langstrecke über eine gesamte Saison das definierende Element ist, ist Frankfurt recht weit entfernt. Da ist wohl eher der DFB-Pokal oder eine glückliche Euro-League-Saison eine Möglichkeit, sich im Wettbewerb in Richtung eines Titels zu bewegen.

Tino Seebach: An der Stelle muss ich aber nachhaken. Die Frage war ja, was müsste denn passieren, dass ein Traditionsverein wie die Eintracht Meister werden kann? Kann sie das aus eigener Kraft schaffen oder müsste die 50+1-Regel fallen?

Andreas Krebs: Die Eintracht hat ja für die restlichen 49 Prozent nicht die potenten Partner, die in anderen Städten vorhanden sind. Man muss sich nur vor Augen führen, was Daimler Benz für seine Beteiligung beim VFB Stuttgart bezahlt hat, wie Stuttgart da bewertet wurde. Das gleiche gilt, wenn man die erste Beteiligung von KKR an Hertha BSC nimmt, gar nicht zu sprechen vom windigen Herrn Windhorst, der jetzt kommt. Diese Struktur eines externen Geldgebers, der auch eine bewusst hohe Bewertung in Kauf nimmt und dann sein Geld in den Verein steckt, das gibt Frankfurt mit seiner Umgebung nicht her, trotz des Wohlstands.

Wenn man sich den europäischen oder globalen Vergleich anschaut, dann ist 50 +1 in der Tat der Hemmschuh. Egal, ob es der Scheich aus dem mittleren Osten ist oder der reiche Hedgefonds oder Sportunternehmer aus den Vereinigten Staaten, der den Verein als einen Wirtschaftsbetrieb ansieht, mit dem man sportlichen Erfolg kaufen will – wenn man da mithalten wollte, müsste 50+1 fallen.

Wenn Sie mich fragen, ob ich das will, ob ich mich in einem Fußball wohlfühle, in dem Strukturen wie bei Manchester City oder Paris St. Germain vorherrschen, dann sage ich, das wäre nicht mein Fußball und sicherlich ein Fußball, den ich nicht mehr so wohlwollend begleiten würde.

Tino Seebach: Wie ist Ihre Prognose für die kommende Bundesliga-Saison, lieber Herr Krebs? Meister, Absteiger, und wo landet die Eintracht?

Andreas Krebs: Union Berlin wird nicht noch einmal so eine gute Saison spielen können. Ich sehe von den etablierten Vereinen Schalke und Bremen in Gefahr, die auch aufgrund ihres volatilen Umfelds in Abstiegsnöte geraten könnten. Fredi Bobic in der sportlichen Leitung und Adi Hüter werden mit ruhiger Hand die Eintracht auf Kurs halten, so dass das Fenster Platz 6-12 möglich sein wird. Wenn Sie mich festnageln wollen, sage ich jetzt einfach mal erneut Platz 9.

In der Hoffnung, dass es vielleicht doch den einen oder anderen Fehler bei den Bayern gibt und andere am oberen Limit spielen, tippe ich auf Borussia Dortmund als Meister.

Tino Seebach: Letzte Frage: Wenn Sie Fredi Bobic wären, in welchem Mannschaftsteil täte der Eintracht noch ein Spieler gut?

Andreas Krebs: Bei der Eintracht ist aktuell nicht ein dauerhaft belastbarer Spielaufbau erkennbar, der sich in einer Person verdichtet. Wenn ich mir jemanden backen könnte, wäre das ein spielstarker 8er, der aber auch über die gesamte Saison seine Leistung abruft.

Tino Seebach: Herr Krebs, vielen Dank für das Interview! Es fällt mir schwer, Ihrem Verein alles Gute zu wünschen, persönlich wünsche ich Ihnen dies natürlich trotzdem weiterhin!

 

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