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Kommt jetzt der Crash? Was spricht dafür und was dagegen?

18. März 2021 (Anzeige)

Keine Sorge, liebe Leserinnen und Leser, ich bin in keiner Weise unter die Crash-Propheten gegangen. Allerdings wurde mir die Frage "Kommt der Crash?" zuletzt ungewöhnlich häufig gestellt.

Ob das Zufall ist, etwas über die zugrundliegende Marktstimmung aussagt oder mit der gestiegenen Anzahl an Aktionären und damit auch potenziellen Fragestellern zusammenhängt, weiß ich nicht.

Generell rate ich dazu, nicht allzu viel Zeit und Energie darauf zu verwenden, den Markt "timen" zu wollen, also "richtige" Ein- und Ausstiegszeitpunkte zu suchen. Erstens bekommen das selbst die besten Investoren der Welt höchst selten hin und zweitens lohnt es sich über sehr lange Zeiträume in der Regel auch nicht. Denn selbst die heftigsten Crashs sehen in Zwanzig- oder Dreißigjahresfenstern halb so wild aus. Wer die hohen langfristigen Renditen von Aktien vereinnahmen will, muss die meiste Zeit investiert sein und Schwankungen aushalten können. Rein und raus ist daher kontraproduktiv.  

Ich will der Frage "Kommt der Crash?" aber auch nicht ausweichen, eben weil sie derzeit offenbar viele Anleger umtreibt. Lassen Sie mich deshalb nüchtern abwägen, was derzeit dafür und was dagegen spricht.  

Was für einen baldigen Crash am Aktienmarkt spricht  

Erstens: Die Aktienbewertungen sind im Schnitt hoch, in einigen Marktsegmenten zu hoch. Manche Bewertungskennzahlen erreichen Niveaus, wie ich sie seit 2000 (und ohne es selbst miterlebt zu haben 1929) nicht mehr gesehen habe, teilweise sogar Bewertungs-Allzeithochs.  

Zweitens: Wieder einmal macht das Wort vom "Paradigmenwechsel" die Runde, der angeblich traditionelle Bewertungsmaßstäbe obsolet werden lasse. Das erinnert mich stark ans erste Quartal 2000, als dieses Argument schon einmal für nicht mehr zu erklärende Bewertungsrelationen herangezogen wurde. Was noch im ersten Quartal 2000 begann, ist "alten Börsenhasen" bekannt.  

Drittens: Die Stimmung der Investoren ist überwiegend optimistisch und von Euphorie nicht mehr weit entfernt. Erst vor wenigen Tagen titelte ein sonst eher nicht reißerisch auftretendes Anlegermagazin "Börsenboom" in Großbuchstaben.  

Viertens: Viele neue Anleger entdecken die Börse. Das finde ich grundsätzlich toll. Erfahrungsgemäß deutet das aber darauf hin, dass sich die Hausse eher nicht mehr im Frühstadium befindet.  

Fünftens: Der Umsatzanteil von Privatanlegern steigt. Auch das ist untypisch für eine erst beginnende Hausse.  

Sechstens: Spekulative Exzesse, an denen sich gerade auch viele neue Anleger beteiligen, sind nicht zu übersehen, sei es nun bei Bitcoin, Tesla, Gamestop oder vielen hochgepushten Pennystocks.  

Siebtens: Die Spekulation auf Kredit boomt, ähnlich wie vor den Crashs 1929, 2000 und 2008.  

Achtens: Das Geschäft mit Börsengängen prosperiert, zumindest in den USA. Viele Börsenneulinge arbeiten noch defizitär, erreichen aber trotzdem Milliardenbewertungen. Nicht wenige Investoren haben keine Scheu, via SPAC sogar die Katze im Sack zu kaufen. Das ist typisch für die Spätphase einer Hausse. Altgediente Anleger erinnern sich an den Neuer-Markt-Hype mit seiner Rekordanzahl an Börsengängen.  

Was gegen einen zeitnahen Crash am Aktienmarkt spricht  

Erstens: Das monetäre Umfeld dürfte erst einmal stimulierend bleiben. Die Notenbanken werden versuchen, die Zinsen so lange wie möglich "unten" zu halten. Weitere "unkonventionelle" geldpolitische Maßnahmen sind wahrscheinlich. Das Niedrigzinsumfeld ist der wichtigste Unterschied zu den Jahren 1929 und 2000: Seinerzeit hatten die Notenbanken in den Monaten zuvor bereits mehrmals die Leitzinsen erhöht, auch die absoluten Zinsniveaus waren (z. B. in den USA mit jeweils rund 6 Prozent für den Hauptleitzins) deutlich höher als heute. Zumindest mittelfristig kann ich mir nicht vorstellen, dass die Notenbanken der großen Wirtschaftsräume Zinserhöhungen riskieren werden.  

Zweitens: Das fiskalische Umfeld dürfte ebenfalls zunächst einmal stimulierend bleiben. (Wer die Zeche später zahlt, ist eine andere Frage.)  

Drittens: Anlagealternativen zu Aktien fehlen, solange Anleihen niedrig, nahe null oder sogar negativ "rentieren" (siehe Punkt 1). Das lässt Aktien im Vergleich zum wichtigsten Anlagekonkurrenten (neben Immobilien) sehr vorteilhaft aussehen.  

Viertens: Ja, die Bewertungen sind hoch, gerade bei vielen Technologie-Unternehmen. Andererseits sind die Firmen größtenteils und im Durchschnitt deutlich profitabler als 2000.  

Fünftens: Einen übertriebenen M&A-Boom, wie er typischerweise am Ende eines Börsenbooms auftritt, kann ich noch nicht erkennen. Auch wenn die Reise-Restriktionen infolge der Pandemie-Eindämmungsmaßnahmen vermutlich ihren Teil dazu beigetragen haben, dürfte die Beobachtung auch bereinigt um diesen Sondereffekt Bestand haben.  

Sechstens: Die Marktbreite, gemessen etwa an der Advance-Decline-Linie, sieht seit einigen Monaten sehr gesund aus. Das ist untypisch für einen beginnenden Bärenmarkt. 2000 war das anders: Seinerzeit wurde beispielsweise der DAX-Aufschwung nur von einer Handvoll Aktien getragen, während sich der breite Markt schon seit 1998 im Abschwung befand.  

Natürlich erhebt diese Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Mit voller Absicht habe ich indes einige "weiter weg" vom Aktienmarkt liegende Aspekte wie Zustand des Finanzsystems, generelle Verschuldungssituation oder politische Chancen und Risiken nicht aufgeführt, weil diese Aspekte schwer zu erfassen sind und nach meiner Erfahrung zu wenig Prognoserelevanz für die mittelfristige Tendenz am Aktienmarkt aufweisen.  

Die kleine Auflistung zeigt: Pro- und Contra-Argumente halten sich ungefähr die Waage. Am besten gewichten Sie sie selbst und berücksichtigen dabei Ihre persönliche Risikoneigung. Und bedenken Sie: Kommt ein Crash, kommt er meistens anders als erwartet. Das hat der "Corona-Crash" im Frühjahr 2020 eindrucksvoll untermauert. Keiner der hauptberuflichen Crash-Propheten hat vorausgesagt, dass die Ursache für den nächsten Crash ein kleines Virus sein würde. Und selbst wenn jemand mit falscher Begründung den richtigen Zeitpunkt geraten hätte: Er oder sie hätte die Nerven haben müssen, um bereits nach sechs Wochen im März 2020 den sofortigen und vollständigen Rebound zu "prophezeien". Denn sonst hätten Prophet und "Jünger" nichts gewonnen, steht der DAX doch aktuell etwa genauso hoch wie vor dem Corona-Crash.

Kennen Sie jemanden, der das geschafft hat? Ich auch nicht.

von: Christoph Frank

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