Digitale Transformation in der Gesundheitsindustrie
21. Oktober 2024 (Anzeige)
Eine Betrachtung der neuesten Entwicklungen im breiten Gesundheitssektor und worauf aktuell der Fokus der Forschung liegt
Quelle: 123RF
Die Gesundheitsbranche hat in den letzten 20 Jahren rapide technologische Fortschritte gemacht und befindet sich nun inmitten der Ära der digitalen Transformation, die nahezu jeden Bereich des Gesundheitswesens abdeckt. Die Bandbreite reicht von der Optimierung der Arbeitsprozesse von Gesundheitsdienstleistungsanbietern bis hin zur schnelleren Entwicklung von neuen Medikamenten und Therapien der Pharmaunternehmen. Neue Technologien haben Einfluss auf die klinische Entwicklung, die Erforschung neuer Behandlungsmethoden sowie die Automatisierung im Gesundheitswesen. Wir bei APUS Capital sehen den Gesundheitsbereich in den kommenden Jahren aus vielen Gründen als hoch attraktives Investmentfeld mit starken Wachstumsthemen.
Was sind aus unserer Sicht aktuell die wichtigsten technologischen Trends, die die Zukunft im Gesundheitssektor bestimmen werden?
- Generative Künstliche Intelligenz für Wirkstoffforschung und -entwicklung: Generative KI beschleunigt die Entdeckung und Entwicklung neuer Medikamente und Therapien erheblich, z. B. durch optimierte Entdeckung von Antikörpern und schnellere Entwicklungszeiten im Labor.
- Daten-Analytik und maschinelles Lernen: Angewandte Industrielle KI, maschinelles Lernen und Cloud/Edge-Computing sind die Top-Investitionsbereiche, die kurzfristig die größten Vorteile bringen sollen und die gesamte Wertschöpfungskette durchdringen – von der Wirkstoffforschung bis zur Markteinführung.
- Digitale Gesundheitslösungen und Patientenzentriertheit: Unternehmen nutzen vernetzte Geräte, digitale Therapeutika und dezentrale Diagnostik, um Patientendaten in Echtzeit zu sammeln und eine patientenzentrierte Versorgung zu ermöglichen.
- Fortschrittliche neuartige Modalitäten: Zell- und Gentherapien, CAR-T und Oligonukleotide gewinnen in der klinischen Entwicklung neuer Methoden stark an Bedeutung und versprechen bahnbrechende Behandlungen.
- Konvergenz unterschiedlicher technologischer und biochemischer Forschungsgebiete und damit die Nutzbarmachung neuer spannender Anwendungen, vor allem im Medizintechnikbereich.
Um die Zukunft zu verstehen, ist es wichtig, die Vergangenheit anzuschauen. Beispielsweise beleuchtet hierzu die deutsche Fernsehserie „Charité“ in ihren ersten drei Staffeln verschiedene historische Epochen des berühmten Berliner Charité-Krankenhauses und thematisiert die medizinischen, gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen der jeweiligen Zeit. Jede Staffel behandelt ein primäres Thema und spielt in einer anderen Zeitperiode.
Während die ersten drei Staffeln in der Vergangenheit spielten, von 1888 über die Zeit des Nationalsozialismus bis hin zum Kalten Krieg, springt die Handlung der 4. Staffel in die Zukunft, nämlich in das Jahr 2049.
Ein solch schwieriges Thema mit nur begrenzten Ressourcen umzusetzen, war sicherlich nicht leicht. Teilweise wirkt es aber wie eine wilde Mischung aus Gegenwart und ferner Zukunft mit Operations-Robotern, die dem Zuschauer wie Science Fiction vorkommen sollen. Dabei werden doch diese Operations-Roboter in guten Krankenhäusern bereits heute regelmäßig eingesetzt.
Unsere Vorstellung einer Zukunft der Medizin unterscheidet sich in vielen Punkten, während uns andere Aspekte durchaus einleuchtend erscheinen.
Ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen, ist beispielsweise eines der Kernthemen die Analyse und Manipulation des menschlichen Mikrobioms, um ein unbekanntes antibiotikaresistentes Bakterium zu besiegen. Unser Mikrobiom besteht aus etwa 39 Billionen Bakterien, deren Masse knapp 2 kg unseres Körpergewichts ausmachen und die zumeist in Symbiose mit uns leben, bei einem Ungleichgewicht aber auch viele Krankheiten auslösen können.
Quelle: https://www.mymicrobiome.info/de/10-fakten-ueber-dein-mikrobiom
https://www.bayer.com/de/news-stories/dein-zweites-ich-10-faszinierende-einblicke-in-das-menschliche-mikrobiom
Dies ist ein Feld, bei dem generative Künstliche Intelligenz auch aus unserer Sicht einen dramatischen Einfluss auf die Medizin haben wird. Aufgrund der schieren Größe und Komplexität des Mikrobioms steckt die Forschung hier noch in den Kinderschuhen, hat aber bereits sehr interessante Erfolge vorzuweisen. Es ist bemerkenswert, wie viele Krankheiten durch ein aus den Fugen geratenes Mikrobiom entstanden zu sein scheinen.
Ein Grund hierfür ist oftmals eine unausgewogene Ernährung. Es ist also kein Wunder, dass im Pharmabereich gerade auch so viel über Eli Lilly und Novo Nordisk gesprochen wird, die mit ihren neuen Spritzen der Fettleibigkeit den Kampf angesagt haben.
Und während früher auch oft nur die Symptome eines Typ-2-Diabetes behandelt wurden, hat man heute ein besseres Verständnis der dahinterliegenden Ursachen. Durch zu viel Zucker bzw. Fruchtzucker verliert der Körper irgendwann seine Insulin-Sensitivität. Durch eine Regulation des Appetits durch Abnehmspritzen kann man also nun früher im Prozess eingreifen. Je mehr klinische Studienergebnisse veröffentlicht werden, ist zu erkennen, dass ein früheres Eingreifen in diesem entarteten Regelkreislauf ebenfalls positive Effekte auf nachgelagerte Krankheiten hat, beispielsweise Diabetes, Nierenkrankheiten (CKD), koronare Herzkrankheiten, Leberkrankheiten, Süchte und sicherlich noch viele mehr.
Quelle: eigene Schätzungen APUS Capital GmbH
Interessant ist daher auch, dass ein ähnlicher Effekt, wie wir ihn bei den “Magnificent 7” in den USA sehen, nämlich dass eine Konzentration auf nur noch wenigere Gewinner stattfindet, auch im Pharmabereich passiert: “Go big or go home!” Diejenigen Unternehmen, die ein hohes Risiko genommen haben und sich damit aber einen First-Mover Advantage in riesigen Märkten erschlossen haben, wurden belohnt und haben sich ähnlich wie Nvidia im Halbleiterbereich tiefe Burggräben geschaffen. Seien dies Eli Lilly und Novo Nordisk bei den Stoffwechsel-assoziierten Krankheiten oder auch z. B. das niederländische Unternehmen ArgenX, welches mit seinem Medikament Vyvgart durch einen immer gleichen Wirkmechanismus direkt in einer Vielzahl von Autoimmunerkrankungen Erfolge erzielt.
Dass die Konzentration im Pharmabereich bisher viel geringer als im Technologiebereich ausfällt, ist allerdings sehr bemerkenswert. So sprechen wir auch immer noch von den Top-20 Pharmafirmen, aber nur von einzelnen Marktführern in der kommerziellen Logistik (Amazon) oder KI-Halbleitern (Nvidia).
Die fünf größten Technologieunternehmen der Welt waren im Juli 2024 insgesamt 13 Billionen USD wert. Die fünf größten Gesundheitsunternehmen der Welt brachten hingegen nur 2,8 Billionen USD auf die Wage. Paradoxerweise ist der Beitrag des Gesundheitswesens zum BIP weitaus größer als der Beitrag der Technologie. Dies spiegelt sich jedoch nicht in den Bewertungen der jeweiligen Aktien wider.
Quelle: Infront / APUS Capital GmbH
In einer von uns vorstellbaren Zukunft wird es irgendwann nur noch einzelne Marktführer für einzelne Gebiete (Z. B. Fettleibigkeit, Onkologie, Autoimmunkrankheiten & Allergien, Diagnostik, Impfstoffe u. ä.) geben, mit einer entsprechend höheren Bewertung.
KI wird hierbei sicherlich noch eine sehr große Rolle spielen. Problematisch ist allerdings im Wesentlichen noch, dass viele medizinische Daten schlecht annotiert und schwer vergleichbar sind und somit das bekannte Prinzip “Garbage in, Garbage out” gilt. Da jeder Mensch unterschiedlich ist, viele Daten nur analog verfügbar sind und die Interpretation vieler Daten noch von Menschen gemacht wurden, haben es Algorithmen hier noch schwer. Interessant ist auch, dass zwar bereits massive Investments in diesen Bereich getätigt wurden, allerdings noch mit bescheidenem Erfolg. In einer Analyse der Bank Stifel wurde gut dargelegt, dass die 34 KI-orientierten Biotechs, die seit 8 Jahren oder mehr am Markt sind bisher ca. 12 Mrd. USD eingesammelt haben. Es kostet ca. 2,3 Mrd. USD, um ein Medikament nach herkömmlichen Methoden zu entwickeln, also hätten hierfür eigentlich etwa mindestens 5 Medikamente zugelassen werden können. Da KI aber deutlich schneller und besser sein sollte, eher 10 oder 20. Die Wahrheit ist, dass unseres Wissens nach erst 2 Medikamente zugelassen worden sind, die KI oder maschinelles Lernen in der Entwicklung genutzt haben, TIBSOVO und IDHIFA.
Positiv hervorzuheben ist die Größe des Marktes für KI im Gesundheitswesen. Bis 2032 sollen hier voraussichtlich mehr als 270 Mrd. USD Umsatz erreicht werden (Precedence Research). Es ist also ein riesiger Markt, um den sich in den nächsten Jahren viele Unternehmen bemühen werden. In den meisten Bereichen der Plattformentwicklung wird es jedoch nach unserer Ansicht nach einer Konzentrationsbewegung und Auslese letztendlich nur wenige Gewinner geben.
Erste Erfolge dürften unseres Erachtens im Bereich der Diagnostik entstehen. Neben dem oben bereits erwähnten Mikrobiom werden Blutuntersuchungen zukünftig viel wichtiger werden. Frei nach dem Motto “Blut lügt nicht”, sind hier die Daten verhältnismäßig gut reproduzierbar und vergleichbar. Und anstatt einzelner Blutwerte werden bald eher Blut-“Fingerabdrücke” aus einer Vielzahl von Werten mögliche Krankheiten und idealerweise sogar derer Ursachen vorhersagen. Ein erster solcher Bluttest, der unter anderen sogar auch von der Berliner Charité mitentwickelt wurde, soll bereits in der Lage sein, das Risiko für 67 Krankheiten erkennen zu können (Nature Medicine, 2024).
Wir glauben, dass weitere wichtige Wachstumsfelder vor allem im Medizintechnikbereich entstehen.
Ein paar interessante Beispiele hierfür könnten sein:
- Die bereits oben erwähnten Operationsroboter. Mit der Einführung von haptischem Feedback in neueren Modellen wie dem Da Vinci 5 wird die Benutzererfahrung erheblich verbessert. Da die Chirurgen damit nun auch durch das taktile Feedback spüren können, wie viel Druck sie ausüben, wird die Sicherheit und Effektivität von Operationen erhöht.
- Die verbreiterte Nutzung virtueller Realität beispielsweise für die Schulung von Operationsmethoden.
- Intelligente Körperimplantate, z. B. Knieimplantate, die kinetische Daten sammeln, um die postoperative Behandlung zu unterstützen, Knochenimplantate, die eine Fehlstellung eines gebrochenen Knochens erkennen und darauf reagieren, und Zahnimplantate, die der bakteriellen Besiedlung widerstehen – dies sind nur einige Beispiele für datengesteuerte, intelligente Produkte in der Entwicklung, die das Potenzial haben, das Feld der medizinischen Implantate grundlegend zu verändern.
- Ein besonders spannender Bereich in der Medizintechnik ist die Entwicklung von Brain-Computer-Interfaces, die die direkte Kommunikation zwischen Gehirn und Computer ermöglichen. Besonders hervorzuheben ist die Entwicklung von Implantaten, die es dem Gehirn ermöglichen, direkt mit externen Geräten zu interagieren. Diese Technologie könnte in der Zukunft revolutionäre Anwendungen im Bereich der Behandlung neurologischer Erkrankungen und der Wiederherstellung von Bewegungsfähigkeiten bei gelähmten Patienten ermöglichen.
Quelle: © Nature; Drew, L.: The brain-reading devices helping paralysed people to move, talk and touch. Nature 604, 2022; dt. Bearbeitung: Spektrum der Wissenschaft (https://www.spektrum.de/news/gehirn-computer-schnittstelle-mit-hirnimplantat-zurueck-ins-leben/2016952)
Die Herausforderung in der Gesundheitsindustrie wird in den kommenden Jahren darin liegen, diese Technologien weiterzuentwickeln und neue digitale und analytische Fähigkeiten sinnvoll mit ihren angestammten Kernkompetenzen wie Innovation und Fokus auf Patientenrelevanz, zu kombinieren und zu vereinen.
Jensen Huang, der CEO von Nvidia, sagte einmal: „Die Biologie hat die Chance, zu Ingenieurwesen statt Wissenschaft zu werden. Wenn etwas zu Ingenieurwesen statt Wissenschaft wird, beginnt es sich exponentiell zu verbessern, und es kann von den Vorteilen der Vorjahre profitieren und diese kumulieren.“
Wenn der Mensch also beginnt, die biologischen Vorgänge so gut zu verstehen, dass er sie „industrialisieren“ kann und damit auch die Kosten sinken, beginnt eine neue Zukunft der Medizin. Wir freuen uns, wenn Sie mit uns dabei sein werden…
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